Der Lautenspieler ist ein Musiker, der sich sehr glücklich schätzen kann. Denn es steht uns ein 250-jähriges spezifisches Repertoire zur Verfügung, angefangen bei der ersten gedruckten Ausgabe (l’Intabolatura de lauto libro IV von Joanambrosio Dalza, das 1508 von Ottaviano Petrucci in Venedig veröffentlicht wurde) bis zum Tod von Sylvius Leopold Weiss, dem letzten der großen Lautenspieler, der 1750 den Schlusspunkt dieser außergewöhnlichen Parabel setzte.

   

  vihuela Bermudo  Man könnte einwerfen, dass dies im Vergleich zur Geschichte anderer wichtiger Streichinstrumente ein kurzer Zeitraum ist. Es bleibt aber unbestritten, dass das Niveau der Verschriftlichungen sehr hoch ist. Wir finden uns echten musikalischen Denkmälern gegenüber, bei denen sich die Lautenspieler und Komponisten hinsichtlich des Stils und der zukünftigen Entwicklung des instrumentellen Potentials als weitsichtige Pioniere gezeigt haben. Könnten die Kunstwerke der bildenden Kunst der Renaissance "klingen", so ertönten Fantasien für die Laute.

Einige dieser Meisterwerke, aus unterschiedlichen italienischen, französischen und englischen Manuskripten und Drucken des früheren 16. Jahrhunderts gewählt, stehen in meinem Recital Seite an Seite und verflechten sich miteinander. Ich ließ mich von vielen Persönlichkeiten der Renaissance - Schülern, Ärzten, Sängern, Lautenspielern - inspirieren, die eigene handschriftliche Sammlungen anlegten, die sie auf ihren Reisen durch den gegenseitigen Austausch mit neuen Bekanntschaften immer reichhaltiger wurden. Dank der zahlreichen Kopien, die vom Interessierten über den, "Freizeit"-Musiker bis zum Hofschreiber angefertigt wurden, war die Musik zur damaligen Zeit sehr verbreitet.
Aus jeder dieser Sammlungen können wir Informationen über das technische Niveau des jeweiligen Eigentümers ableiten, aus welchem gesellschaftlichen Umfeld er kam und welche der damals aktuellen Formen er bevorzugte (Tänze, Fantasien, Intavolierungen von Madrigalen). Auch können wir seine Reisen nachvollziehen und erkennen ob er auch sang und sich dabei selbst auf der Laute begleitete und schließlich Gedichtverse von ihm lesen, welche zum reinen Vergnügen oder möglicherweise auch für Geld geschrieben wurden?
Und auf die gleiche Art und Weise erzählt auch mein Lautenbüchlein von mir; von meinem intimen Kosmos, der auf meinem Schreibtisch ensteht, wenn dieser sich unter der Last der Lautenbücher biegt, wenn ich auf der Suche nach dem einen fehlenden Puzzleteil bin. Dem fehlenden letzten Stück, das die Renaissance-Architektur meines ganz persönlichen Programms, welches ich für Ihre Ohren erklingen lassen möchte, vervollständigt.

Evangelina Mascardi, Januar 2016

 

Evangelina Mascardi renaissance luteEvangelinas Lautenbüchlein

Anonimo, A Robin
Alfonso Ferrabosco (1543-1588), Fantasia
John Dowland (1563-1626), Gagliarda Dulandi

Marco dall'Aquila, Ricercare
Joan Ambrosio Dalza (?-1508), Poi che volse la mia stella
Melchior Neusidler (1531-1591), Passamezzo
Anonimo, Branle
Albert de Rippe, Fantasia

Marco dall'Aquila (ca.1480-ca.1538), Ricercare
Anonimo, Saltarello bel fiore al mio modo
Albert de Rippe (ca.1500-1551), O Passi sparsi
Francesco da Milano (1497-1543), La Spagna
Albert de Rippe, Ave Maria Santissima
Anonimo, Il peschatore che va cantando

Albert de Rippe, Gagliarda
Simon Gintzler (ca.1490-1550), Ricercare
Claudin de Sermisy (ca.1490-1562), Tant que vivray
Luys de Narvaez (ca.1500-1560), Fantasia
Albert de Rippe, Chanson alla francese
Vincenzo Capirola (1474-1548), Padovana descorda

Evangelina Mascardi - Renaissancelaute
Cezar Mateus, New Jersey, 2013